Risiken beim Einsatz geringfügig Beschäftigter (Minijob)
1. Geringfügige Beschäftigung
Eine geringfügige Beschäftigung liegt vor, wenn
- das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat 450,00 EUR nicht übersteigt
oder
- die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens 3 Monate oder 70 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist (§ 8 Abs. 1 SGB IV).
2. Arbeitsrechtliche Grundlagen des „Minijobs“:
Für geringfügig Beschäftigte gemäß § 8 SGB IV gelten arbeitsrechtlich keine Besonderheiten. Das Benachteiligungsverbot gemäß § 4 TzBfG gilt auch für „Minijobber“. Auf sie ist daher auch das Gleichbehandlungsgebot in allen Bereichen des Arbeitsverhältnisses anzuwenden.
Der „Minijobber“ hat wie jeder Vollzeitbeschäftigte
- Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub sowie auf den im Betrieb zusätzlich gewährten Urlaub;
- Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn (ab 01.01.2019 somit 9,19 EUR und ab 01.01.2020 9,35 EUR pro Arbeitsstunde);
- Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und
- Anspruch auf Feiertagsvergütung.
3. Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten bzw. Konsequenzen:
Gewährt der AG einen oder mehrere dieser Ansprüche (siehe Punkt 2.) nicht, kann der Sozialversicherungsträger anlässlich einer Prüfung einen sogenannten „Phantomlohn“ errechnen. Erhält der Minijobber – wie dies in vielen Fällen gegeben ist – keinen Urlaub, wird der Urlaubsanspruch als Lohn errechnet und dem tatsächlich gezahlten Lohn fiktiv hinzugerechnet. Hat der Minijobber in dem Kalenderjahr bereits 12 x 450,00 EUR erhalten, wird das Urlaubsentgelt für den gesetzlichen Mindestlohn gemäß § 1 und 3 BUrlG festgestellt und dem Jahreslohn (12 x 450,00 EUR = 5.400,00 EUR) hinzugerechnet. Die Konsequenz ist der Wegfall der Begünstigung der geringfügigen Beschäftigung und die Nachzahlungsverpflichtung des AG im Hinblick auf die Sozialversicherungsbeiträge (AG- und AN-Anteile) gemäß § 28 g S. 3 SGB IV. Ein Regress beim AN für dessen Beiträge ist nur
- in einem laufenden Arbeitsverhältnis für die nächsten 3 Monate durch Abzug vom Arbeitsentgelt möglich gemäß § 28 g S. 2 SGB IV. Hierbei sind die Pfändungsfreigrenzen einzuhalten. Diese Beschränkung gilt nicht, wenn der Minijobber vorsätzlich oder grob fahrlässig Angaben unterlassen oder falsche Angaben gegenüber dem AG gemacht hat.
4. „Abrufarbeit“ bei Minijob:
Gemäß § 12 TzBfG ist bei der Vereinbarung von Arbeit auf Abruf eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit festzulegen, z.B. 10 Stunden pro Woche. Unterbleibt dies, weil kein schriftlicher Arbeitsvertrag vorliegt, wird künftig eine regelmäßige Arbeitszeit von 20 Stunden pro Woche unterstellt. Bei Hochrechnung dieser Stundenzahl pro Woche mit dem Mindestlohn wird daher die Grenze der Geringfügigkeit in jedem Falle überschritten sein. Der AG ist in diesem Falle regresspflichtig gegenüber dem Sozialversicherungsträger (20 Stunden pro Woche entspricht 86,7 Stunden pro Monat à 9,19 EUR = 796,77 EUR = versicherungspflichtige Tätigkeit).
Nachgewiesen werden kann die Vereinbarung einer bestimmten wöchentlichen Arbeitszeit regelmäßig nur, wenn dies schriftlich erfolgt ist.
5. Formelle Anforderungen:
Es ist dem AG dringend anzuraten
- mit jedem „Minijobber“ (auch gerade bei Abrufarbeit) einen schriftlichen Arbeitsvertrag mit Angabe der Arbeitsstunden und der Lohnhöhe abzuschließen;
- den Minijobber nach sonstigen Arbeitsverhältnissen zu befragen und sich dies schriftlich bestätigen zu lassen und
- das Arbeitsverhältnis mit dem Minijobber im Hinblick auf Urlaub, Krankheit und Feiertage arbeitsrechtlich ordnungsgemäß abzuwickeln.
Wichtig:
Generell gelten in der BRD seit 1995 die Verpflichtungen aus § 2 NachwG. Danach hat der Arbeitgeber spätestens einen Monat nach Arbeitsbeginn
- die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen.
Neben Namen und Anschrift von AG und AN sind Beginn des Arbeitsverhältnisses bei befristeten Arbeitsverhältnissen, die vorhersehbare Dauer, der Arbeitsort, die zu leistende Tätigkeit, das Arbeitsentgelt, die vereinbarte Arbeitszeit, die Dauer des Urlaubs, die Kündigungsfristen und eventuell die Geltung eines Tarifvertrages aufzunehmen.
- Gemäß § 2 Abs. 1 S. 3 NachwG ist der Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen in elektronischer Form
Ohne schriftlichen Nachweis der Arbeitsbedingungen kann der Arbeitgeber daher weder gegenüber dem Arbeitnehmer entsprechende Nachweise führen noch gegenüber den Sozialversicherungsträgern.
Bei Fehlen einer schriftlichen Vereinbarung im Sinne des Nachweisgesetzes liegen sämtliche Risiken und Beweisprobleme beim Arbeitgeber.
RA Heinz Wittmann, Kanzlei Wittmann & Kollegen / Straubing, www.wittmann-kollegen.com
Steuernews Print-Ausgabe Sommer 2019, Rechtsstand 06/2019