Pflichtteil und Pflichtteilsrecht, vgl. §§ 2303 ff. BGB

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1. Pflichtteilsanspruch - Wer ist pflichtteilsberechtigt?

Einen rechtmäßigen Anspruch auf einen Pflichtteil können nur die nächsten Familienangehörigen des Erblassers geltend machen. Pflichtteilsberechtigt sind gemäß § 2303 BGB nur:

  • "Abkömmlinge", d. h. Nachkommen des Erblassers, Kinder, Enkel, Urenkel
  • Ehegatten
  • bei kinderlosen Erblassern die Eltern

Entfernte Abkömmlinge, z. B. Enkel des Erblassers, werden durch - lebende - Abkömmlinge (z. B. Kinder des Erblassers) von der Pflichtteilsberechtigung ausgeschlossen, vgl. §§ 1924 Abs. 2, 2309 BGB.

Besondere Vorsicht ist bei der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen geboten, wenn in einem gemeinschaftlichen Testament der Eltern (sog. „Berliner Testament“) eine Pflichtteilsklausel / Strafklausel enthalten ist. Diese testamentarische Regelung kann zur Enterbung im Schlusserbfall führen.

2. Höhe des Pflichtteilsquote

Der Pflichtteilsanspruch ist ein - mit dem Erbfall sofort fälliger - Geldanspruch in Höhe des Wertes der Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Die Pflichtteilsquote selbst ist abhängig von der Zahl der Kinder und dem ehelichen Güterstand des Erblassers.

Bei Ehegatten, die in Zugewinngemeinschaft leben, unterscheidet man zwischen dem kleinen und dem großen Pflichtteil. Der pflichtteilsberechtigte Ehegatte hat einen Anspruch auf den kleinen Pflichtteil, wenn er:

  • weder Erbe noch Vermächtnisnehmer geworden ist oder
  • die Erbschaft oder das Vermächtnis ausgeschlagen hat, vgl. § 1371 Abs. 2 und 3 BGB.

Die Pflichtteilsquote beträgt die Hälfte der gesetzlichen Erbquote. Bei der Berechnung der Erbquote ist hierbei allerdings keine pauschale Erhöhung um ¼ nach § 1371 Abs. 1 BGB vorzunehmen. Deshalb spricht man in diesem Fall vom „kleinen Pflichtteil“. Neben dem kleinen Pflichtteil kann der Ehegatte den Zugewinnausgleich nach den Regelungen der Ehescheidung in diesen Fällen verlangen, vgl. § 1371 Abs. 2 BGB.

Beim großen Pflichtteil wird der Ausgleich des Zugewinns dadurch verwirklicht, dass sich der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten um ¼ der Erbschaft erhöht. Der gesetzliche Erbanspruch des Ehegatten bei Zugewinngemeinschaft neben Kindern beträgt ¼, vgl. § 1931 Abs. 1 BGB. Hinzu kommt ¼ als pauschale Abgeltung für den ehelichen Zugewinn, vgl. § 1931 Abs. 1 BGB, damit insgesamt ½. Der Pflichtteilsanspruch ist die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, damit ½ mal ½ = ¼.

3. Wer muss den Pflichtteil bezahlen?

Der Pflichtteilsanspruch richtet sich grundsätzlich gegen den oder die Erben. Miterben schulden den Pflichtteil als Gesamtschuldner. Unter den Miterben regelt sich der Ausgleich nach dem Verhältnis ihrer Erbteile.

4. Pflichtteil zu Lebzeiten - kann ich mir meinen Pflichtanteil vorzeitig auszahlen lassen?

Eine Möglichkeit zu Lebzeiten, sich den Pflichtteil auszahlen zu lassen, besteht nicht. Eine vormals bestehende gesetzliche Regelung zum vorzeitigen Erbausgleich, vgl. § 1934d BGB a. F., wurde ersatzlos gestrichen. Selbstverständlich besteht zwischen dem Erb- oder Pflichtteilsberechtigten und dem späteren Erblasser die Möglichkeit, noch zu Lebzeiten einvernehmlich einen Erb- und/oder Pflichtteilsverzicht gegen Zahlung einer Abfindung zu vereinbaren. Dieser Vertrag bedarf der notariellen Beurkundung.

5. Feststellung des Nachlassbestands

Maßgeblich für die Berechnung des Pflichtteils ist neben der Pflichtteilsquote der Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls, vgl. § 2311 BGB. Der pflichtteilsrelevante Nachlass setzt sich aus den Aktiva und Passiva zusammen. Weiter muss der sogenannte fiktive Nachlass (dies sind die Schenkungen des Erblassers) ermittelt werden.

Aktivbestand des Nachlasses
Die für die Praxis wichtigsten Nachlassvermögenswerte sind Bank- und Sparvermögen, Aktien, Immobilien, Forderungen des Erblassers, Kraftfahrzeuge, Kunstgegenstände, Unternehmensbeteiligungen sowie unter Umständen Steuerrückerstattungsansprüche des Erblassers.

Passivbestand des Nachlasses
Für die Praxis wichtige Nachlassverbindlichkeiten sind Beerdigungskosten, Steuerschulden, Kreditverbindlichkeiten, Kosten für eine Auskunftserteilung und Wertermittlung, vgl. § 2314 BGB.

6. Pflichtteilsergänzung nach Schenkungen

Häufig versuchen Erblasser den künftigen Pflichtteilsanspruch dadurch zu unterlaufen, dass sie Teile des Vermögens schon zu Lebzeiten an diejenigen verschenken, die sie gern als Alleinerben sehen würden. Auch hier setzt das Pflichtteilsrecht Grenzen: Die meisten Schenkungen, die der Erblasser in den letzten zehn Jahren vor seinem Tod getätigt hat, werden dem Nachlass hinzugerechnet (vgl. § 2325 BGB) und erhöhen damit den Pflichtteilsanspruch des Pflichtteilsberechtigten. Eine Sonderregelung zugunsten des Pflichtteilsberechtigten gilt bei Schenkungen unter Ehegatten: Wird die Ehe durch Tod aufgelöst, sind alle während der gesamten Ehezeit von dem Erblasser an seinen überlebenden Ehegatten gemachten Schenkungen ergänzungspflichtig, auch wenn sie Jahrzehnte zurückliegen.

7. Auskunftspflicht des Erben und Bewertung des Nachlasses:

Das Gesetz gibt Pflichtteilsberechtigten einen Auskunftsanspruch, vgl. § 2314 BGB. Der Erbe muss deshalb auf Verlangen des Pflichtteilsberechtigten ein Verzeichnis der Nachlassgegenstände und Nachlassschulden sowie über Schenkungen des Verstorbenen erstellen. Der Pflichtteilsberechtigte kann verlangen, dass er an der Aufstellung des Verzeichnisses beteiligt wird. Er kann überdies die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses fordern.

Daneben hat der Pflichtteilsberechtigte einen Wertermittlungsanspruch, vgl. § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB. Der Pflichtteilsberechtigte kann insbesondere bei Immobilien eine Bewertung der Nachlassgegenstände durch einen neutralen Sachverständigen einfordern. Die Kosten für die Wertermittlung trägt der Nachlass.

8. Verjährung des Pflichtteilsanspruchs:

Der Anspruch auf den Pflichtteil verjährt in drei Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Pflichtteilsberechtigte von dem Erbfall und seiner Enterbung erfahren hat, vgl. §§ 195, 199 Abs. 1 BGB. Vor Ablauf der Verjährungsfrist muss in jedem Fall Klage zu Gericht erhoben werden.

RA Markus Mahrer, Kanzlei Gleixner, Kellner, Mahrer / Bogen und Dingolfing, www.kanzlei-bogen.com
Steuernews Print-Ausgabe Herbst 2019, Rechtsstand 09/2019