Unternehmensvorsorge – einige Anmerkungen für den Notfall
In der Praxis kann das Thema nicht oft genug wiederholt werden. Der Einzelunternehmer oder der alleinige Geschäftsführer, der allein oder mehrheitlich an „seiner“ GmbH oder GmbH & Co KG beteiligt ist, sollte für den Notfall auch für sein Unternehmen Vorsorge treffen. Damit ist keineswegs nur ein plötzlicher Tod des Unternehmers gemeint: Eine unerwartete (krankheitsbedingte) Abwesenheit von längerer Dauer kann ein Unternehmen führungslos machen – mit erheblichen Risiken. Es empfiehlt sich – je auf den Einzelfall zugeschnitten – für diesen Fall der unvorhergesehenen, längeren Nichterreichbarkeit Vorsorge zu treffen. Das fällt vielen schwer, da bereits in „gesunden“ Tagen Dritten Kompetenzen eingeräumt werden. Trifft es einen unvorbereitet, sind in vielen Fällen unabsehbare Folgen zu gegenwärtigen, in denen das Unternehmen und in Folge auch die Familie wirtschaftlich existentiell bedroht sind. An geeigneten Informationen mittels Büchern oder Internet fehlt es nicht. Mit dieser Stellungnahme sollen daher ausgewählte Gedanken vorgestellt werden:
Wer führt und vertritt das Unternehmen – gegenüber Kunden Lieferanten, Banken etc.?
Ziel sollte die kontinuierliche Fortführung des Unternehmens sein. Stärkstes Instrument ist dabei die Vorsorgevollmacht, vor allem bei Einzelunternehmen. Diese wird unten vertieft behandelt. Überlegenswert ist ferner einen leitenden Mitarbeiter, bestenfalls jemanden aus der Familie, Prokura einzuräumen und in das Handelsregister eintragen zu lassen. Ein Prokurist ist in der Lage das Unternehmen – fast wie ein Geschäftsführer – zu vertreten. Die Schwierigkeit liegt in der Auswahl eines geeigneten „Vertreters“, da sehr viel Vertrauen mitzubringen ist. Möglich ist auch die Benennung von zwei Prokuristen, die nur gemeinsam das Unternehmen führen können (sogenannte Gesamtprokura). Ersatzweise oder ergänzend können geeignete leitende Mitarbeiter mit Handlungsvollmachten ausgestattet werden.
Dauert die Abwesenheit länger an, empfehlen sich weitere Maßnahmen: Bei Gesellschaften, wie GmbH und GmbH & Co KG, ist dafür Sorge zu tragen, dass Gesellschafterrechte wahrgenommen werden; nichts anders gilt bei Einzelunternehmen (siehe unten).
Wer ist ein geeigneter und von der Belegschaft akzeptierter Vorgesetzter, der einstellen und kündigen darf?
Bereits aus der Fragestellung ist die Schwierigkeit offenbar: denn der Vorgesetzte sollte nicht nur die Weisungsbefugnis – rechtlich – erhalten, sondern auch über die notwendige Akzeptanz, das Vertrauen und die Autorität bei der Belegschaft verfügen. Dass regelmäßig diese Person auch über die notwendige Vollmacht verfügen sollte (siehe oben) versteht sich von selbst. Vorausschauende Unternehmer bauen rechtzeitig geeignete leitende Mitarbeiter auf, optimal ist ein schrittweises Heranführen zu Verantwortung und Entscheidung. Dies setzt natürlich einen Vertrauensvorschuss voraus. Empfehlenswert ist es meist, wenn mehrere Personen gleichzeitig „gefördert“ werden, sofern nicht der Nachfolger feststeht.
Gesellschaften, Gesellschafterversammlung und Vorsorgevollmacht – handlungsfähig bleiben!
Bei länger andauernder Abwesenheit ist Sorge dafür zu tragen, dass wirksame Beschlüsse auf Gesellschaftsebene erfolgen können. So kann ein Prokurist nicht einen Geschäftsführer ersetzen, bestenfalls wird er zum Geschäftsführer berufen oder hilft bei der Suche. Die Berufung zum Geschäftsführer ist Sache der Gesellschafter. Der Unternehmer und Geschäftsführer hat also dafür zu sorgen, dass mittels Vollmacht diese und auch viele andere Entscheidungen auf Ebene der Gesellschaft ermöglicht werden.
Es empfiehlt sich regelmäßig eine umfassende Vorsorgevollmacht, die den Bevollmächtigten in die Lage versetzt, für den verhinderten Unternehmer und Gesellschafter zu handeln. Natürlich muss der Bevollmächtigte das umfassende Vertrauen des Gesellschafters/Unternehmers genießen. Dieser wird mit Aushändigung der Vollmachtsurkunde in die Lage versetzt, sofort Rechtsgeschäfte für den Unternehmer abzuschließen. Nur im sogenannten Innenverhältnis ist bestimmt, dass der Bevollmächtigte erst handeln darf, wenn der Vollmachtgeber hierzu nicht mehr in der Lage ist. Überlegenswert ist, dass die Vorsorgevollmacht dem Bevollmächtigten ausdrücklich – im Innenverhältnis – konkrete Befugnisse einräumt. Zum Beispiel kann dem Bevollmächtigten bei einem Einzelunternehmen im Innenverhältnis die Erlaubnis eingeräumt werden, einen Prokuristen zu benennen, das Unternehmen in eine GmbH umzuwandeln oder sogar zu verkaufen; dies gibt dem Bevollmächtigten auch Sicherheit, im Sinne des Vollmachtgebers zu handeln.
Wichtig ist die Abstimmung mit dem Gesellschaftsvertrag: Häufig sieht der Gesellschaftsvertrag vor, dass Gesellschafter nur durch andere Gesellschafter vertreten werden können. Wenn der Bevollmächtigte kein Gesellschafter ist, kann er nichts (mit)-beschließen. Eine Anpassung des Gesellschaftsvertrages ist notwendig, um dem Bevollmächtigten eine Teilnahme an der Gesellschafterversammlung zu erlauben.
Genießt der Bevollmächtigte zwar uneingeschränktes Vertrauen, ist aber in geschäftlichen Dingen unerfahren, kann der Gesellschaftsvertrag die Einsetzung eines Beirates vorsehen, dem die Beschlussfassung über wichtige Angelegenheiten übertragen werden kann; in kleineren Unternehmen empfiehlt sich vielleicht die Anweisung in der Vorsorgevollmacht, den Steuerberater oder Rechtsanwalt vor unternehmerischen Entscheidungen zu konsultieren.
Abstimmung mit Testament oder Erbvertrag, Fortgeltung der Vorsorgevollmacht
Im Falle des Versterbens sollte die Unternehmensnachfolge durch Testament oder Erbvertrag geklärt sein. Die gesetzliche Erbfolge ist meist nicht ausreichend. Bei der Abfassung eines „Letzten Willens“ sind zahlreiche Fallstricke zu beachten, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll. Die Einholung eines Rates vom Fachmann ist empfehlenswert. Im Hinblick auf die Vorsorgevollmacht sollte eine Abstimmung mit der letztwilligen Verfügung erfolgen. Denn regelmäßig gilt die Vorsorgevollmacht über den Tod hinaus. Solange der Unternehmensnachfolger noch nicht feststeht oder die Vollmacht nicht widerrufen wurde, kann der Bevollmächtigte „schalten und walten“.
Zugangsdaten, Passwörter etc. – Vorsorge durch „Notfallakte“
Um den laufenden Betrieb des Unternehmens nicht zu gefährden, sollten eingeweihte Personen Zugriff auf die „sensiblen“ Daten bekommen. Dabei handelt es sich um Passwörter und sonstige Zugangsdaten, die für den laufenden Betrieb des Unternehmens unentbehrlich sind.
Es ist dringend ratsam eine „Notfallakte“ anzulegen, in der diese Themen zusammengefasst sind. Natürlich können dort zahlreiche weitere Punkte aufgenommen werden: z.B. können dort Handlungsvollmachten hinterlegt sein, von denen erst im Notfall Gebrauch gemacht werden kann. Es ist aber auch dafür zu sorgen, dass die eingeweihten Personen eine Zugangsmöglichkeit haben, während Unberechtigte bestmöglich hiervon ausgeschlossen sein sollten.
Resümee
Wie eine „Notfallvorsorge“ für den Unternehmer auszusehen hat, entscheidet sich im Einzelfall und ist stets situationsgebunden. Jedoch können Leitlinien erstellt werden, anhand derer alsdann eine Lösung maßgeschneidert werden kann. Regelmäßig bedarf es einer gewissen Vorlaufzeit, da der vertrauenswürdige Personenkreis erst aufgebaut werden muss. Alsdann empfiehlt sich eine regelmäßige Überprüfung und Anpassung an geänderte Verhältnisse.
Der „Best-Case“ tritt ein, wenn umfassend Notfallvorsorge betrieben wurde – der Notfall aber nie eintritt!
RA / StB Prof. Dr. Markus Hofbauer, Kanzlei Prof. Dr. Hofbauer und Kollegen / Straubing, www.hofbauer-kollegen.de
Steuernews Print-Ausgabe Sommer 2018, Rechtsstand 06/2018