„Steuerklauseln“ in Gesellschaftsverträgen – Überprüfungs- und Anpassungsbedarf durch zahlreiche Gesetzesänderungen
Problemstellung
Steuerlich oder bilanziell orientierte Gestaltungen sind in Gesellschaftsverträgen an der Tagesordnung. Beispielsweise kann dies in folgenden Fällen in Betracht kommen:
- Im Gesellschaftsvertrag findet eine steuerliche Gestaltung statt oder
- steuerliche Regelungen bieten den Rahmen für Klauseln (z.B. "Stuttgarter Verfahren") oder
- Buchhaltungs- oder Bilanzfragen finden ihren Niederschlag im Gesellschaftsvertrag.
Das Steuerrecht und das Bilanzrecht haben jüngst zahlreiche und einschneidende Änderungen erfahren, sei es durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, durch die Unternehmenssteuerreform oder durch die Neufassung des Erbschaftsteuerrechts einschließlich des Bewertungsrechts. Nicht zu vergessen ist, dass sich die Rechtsprechung weiterentwickelt hat. Diese Neuregelungen sind Anlass, bestehende Gesellschaftsverträge und ihre Klauseln einer Überprüfung zu unterziehen. Denn "im Fall der Fälle" können derartige Klauseln keine Wirksamkeit entfalten oder zu ungewollten Folgen führen.
In diesem Beitrag findet sich eine Auswahl aus den oben genannten Gesetzesänderungen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes, die Anlass und Grund sein sollten, Gesellschaftsverträge zu überprüfen und gegebenenfalls neu zu fassen.
1. Gesellschafterkonten bei Personengesellschaften
Personengesellschaften, also beispielsweise OHG, KG bzw. GmbH & Co. KG, sollten im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes und auch gegebenenfalls im Hinblick auf § 15 a EStG pro Gesellschafter zumindest vier Konten aufweisen. In der Praxis finden sich häufig pro Gesellschafter lediglich zwei Konten. Diese können im Falle einer sogenannten Einlage bzw. Einbringung von Wirtschaftsgütern zu negativen steuerlichen Folgen führen. Es sollte daher ein Rücklagenkontoeingerichtet werden, das für die Gesellschafter nicht frei entnehmbar ist. Im Falle von Verlustenempfiehlt es sich ferner, gesonderte Verlustkonten einzurichten.
2. Abfindungsklauseln, unter anderem Buchwertklauseln
a) Im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters finden sich insbesondere bei Familiengesellschaften häufig Buchwertklauseln. Diese sind regelmäßig einfach zu handhaben, bergen jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes Unwirksamkeitsrisiken für den Fall, dass nicht unerhebliche stille Reserven vorhanden sind. In der Praxis wird dem dadurch begegnet, indem sogenannte salvatorische Klauseln eingefügt werden sollten.
b) Durch das neue Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht wird auch der Übergang eines Gesellschaftsanteils infolge des Ausscheidens eines Gesellschafters als steuerpflichtige Schenkung angesehen, wenn der Ausscheidende einen niedrigeren Wert als den Verkehrswert erhält (z.B. Buchwert). Ähnliches gilt im Falle des Versterbens.
c) Unklarheiten können sich ergeben, aus welcher Bilanz sich der Buchwert ermittelt. Seit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz ist die sogenannte Einheitsbilanz passé. Es sollte daher unbedingt klargestellt werden, ob sich der Buchwert aus der Handels- oder Steuerbilanz herleitet.
d) Schließlich findet sich in älteren Gesellschaftsverträgen das sogenannte Stuttgarter Verfahren als Berechnungsmodell für Abfindungen. Das sogenannte Stuttgarter Verfahren ermittelte den Wert von Gesellschaftsanteilen anhand alter, mittlerweile abgeschaffter steuerlicher Regelungen. Auch wenn natürlich jetzt diese abgeschafften Regelungen zur Berechnung angewendet werden können, sollte nicht mehr auf das Stuttgarter Verfahren zurückgegriffen werden. Das sogenannte Stuttgarter Verfahren wird in der Praxis nicht mehr den allgemeinen Entwicklungen angepasst und ist daher veraltet. Es empfiehlt sich auch hier eine Anpassung.
3. Diverse steuerlich orientierte Klauseln
Nachstehend werden einige denkbare Steuerklauseln aufgelistet, die durch die jüngere Gesetzgebung erst ermöglicht wurden:
a) Durch die sogenannte Thesaurierungsbegünstigung nach § 34 a EStG hat der Gesetzgeber insbesondere für größere und gewinnträchtige Personengesellschaften Gestaltungspotential geschaffen. In Gesellschaftsverträgen sollten Regelungen aufgenommen werden, die die Inanspruchnahme dieser Thesaurierungsbegünstigung festlegen. Ferner sollten alsdann Regelungen zur Beschränkung der Entnahmen mit aufgenommen werden.
b) Soweit das Risiko einer Zinsschranke (§ 4 h EStG) bestehen kann, empfehlen sich ferner Regelungen, die insbesondere den Zinsvortrag betreffen. Bei einem Gesellschafterwechsel in einer Personengesellschaft kann es sein, dass der Zinsvortrag bei Ausscheiden eines Gesellschafters untergeht. Durch gesellschaftsvertragliche Regelungen kann versucht werden, dies zu verhindern.
c) Bei Kapitalgesellschaften kann im Fall eines Gesellschafterwechsels die Vernichtung von Verlustvorträgen gemäß § 8 c KStG drohen. Um dieses Risiko zu minimieren, sollte ein Gesellschafterwechsel zustimmungspflichtig sein (sogenannte Vinkulierung). Sofern die Vinkulierung bisher nicht in Gesellschaftsverträgen vorgesehen ist, sollte diese eingefügt werden.
d) Häufig sehen Gesellschaftsverträge vor, dass "Einheitsbilanzen" zu erstellen sind, also solche Bilanzen, die sowohl handelsrechtlichen als auch steuerrechtlichen Vorgaben entsprechen. Eine derartige Einheitsbilanz ist heutzutage nahezu ausgeschlossen. Demnach muss also der Geschäftsführer zwei Bilanzen aufstellen ("Handelsbilanz" und "Steuerbilanz"). Es empfiehlt sich auch insofern eine Anpassung, da durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz es zu einer größeren Abweichung der Handels- von der Steuerbilanz gekommen ist.
e) Schenkungssteuerpflichtig sind ab 14.12.2011 u. a. auch sogenannte disquotale Einlagen in Kapitalgesellschaften. Legt beispielsweise der Gesellschafter A unentgeltlich ein Grundstück im Wert von € 100.000,00 in die GmbH ein, der Gesellschafter B legt hingegen nichts ein, dann erhält B durch die Einlage des A einen Wertzuwachs seines Gesellschaftsanteils, der alsdann der Schenkungsteuer unterliegt. Auch hier empfiehlt sich, dass Einlagen der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedürfen, um zumindest einen weiteren "Prüfungsschritt" zu ermöglichen.
4. Zusammenfassung
Wie aufgezeigt, besteht aus mannigfaltigen Gründen Anlass, bestehende Gesellschaftsverträge allein aus steuerrechtlicher und bilanzrechtlicher Sicht hin auf ihre Wirksamkeit und Praktikabilität zu untersuchen. Die rege Gesetzgebung in den vergangenen Jahren allein bietet hierfür Anlass genug.
Es ist ratsam, in regelmäßigen Abständen Gesellschaftsverträge einer Prüfung zu unterziehen. Sofern die notwendige Stimmenmehrheit vorhanden ist, sollte eine Anpassung durch Gesellschafterbeschluss erfolgen. Dies gilt natürlich nicht nur für „Steuerklauseln“, sondern auch für den gesamten Gesellschaftsvertrag, um ihn an geänderte Umstände – sei es tatsächlicher, sei es rechtlicher Natur – anzupassen.
RA / StB Prof. Dr. Markus Hofbauer, Kanzlei Prof. Dr. Hofbauer und Kollegen / Straubing, www.hofbauer-kollegen.de
Steuernews Print-Ausgabe Sommer 2012 (Teil 1), Herbst 2012 (Teil 2), Rechtsstand 09/2012