Übertragung von Privat- und Betriebsvermögen in vorweggenommener Erbfolge
Das Thema der Vermögensübertragung (unter Lebenden und von Todes wegen) ist von außerordentlicher tatsächlicher Relevanz. Unter dem Begriff vorweggenommene Erbfolge versteht der Bundesgerichtshof "die Übertragung des Vermögens (oder eines wesentlichen Teiles davon) durch den (künftigen) Erblasser auf einen oder mehrere als (künftige) Erben in Aussicht genommene Empfänger.“
Wesentliche Vertragstypen sind:
- Die vorweggenommene Erbfolge, in der Praxis traditionell auch als „Übergabevertrag“ oder „Überlassungsvertrag“ bezeichnet, deren typenbestimmender Zweck in der lebzeitigen Klärung der Erbfolge in den betroffenen Vermögensgegenstand liegt.
- Der „Generationennachfolgevertrag“ ist demgegenüber stärker dadurch geprägt, dass der folgenden Generation „das Nachrücken in eine die Existenz wenigstens teilweise begründende Wirtschaftseinheit ermöglicht wird“, wodurch gleichzeitig die Versorgung des Übergebers aus dem übernommenen Vermögen zumindest zum Teil gesichert ist.
- Daneben tritt die Vermögensnachfolge zur Ausstattung eines Kindes im Sinn des § 1624 BGB, häufig bezogen auf Bauplätze oder Objekte zur Eigennutzung bzw. Geldzuwendungen zur Existenzgründung/-sicherung.
- Einen eigenen Bereich der Vermögensnachfolge bilden Ehegattenzuwendungen, die je nach dem verfolgten Zweck sich als vorweggenommener Zugewinnausgleich, als freiwilliger Zugewinnausgleich bei Gütertrennung, als Vertrag zur Vermeidung des Gläubigerzugriffs auf den Kernbestand des Privatvermögens oder als Versorgungsvertrag zugunsten des anderen Ehegatten darstellen können.
Vorteile der Vermögensübertragung zu Lebzeiten
- Wenn Sie zu Lebzeiten Vermögensteile übertragen, können Sie aktuell Ihre und die Lebensumstände Ihrer Nachfolgegeneration beurteilen und entsprechend reagieren.
- Ihre Nachkommen erhalten Vermögen zu einem Zeitpunkt, zu dem sie es benötigen (z. B. zur Gründung einer Familie oder zum Aufbau einer Existenz).
- Sie können Ihr Vermögen schrittweise übertragen und haben damit Gelegenheit zu beobachten, wie die Übernehmer damit umgehen.
- Sie haben bei größerem Vermögen die Möglichkeit, Steuerfreibeträge besser auszunutzen und die nachfolgende Generation damit steuerlich zu entlasten.
- Durch die Übertragung von Vermögenswerten zu Lebzeiten können Pflichtteilsansprüche bzw. Pflichtteilsergänzungsansprüche bei geschickter Gestaltung minimiert werden.
- Regressansprüche des Sozialhilfeträgers werden vermieden, weil Schenkungen nach zehn Jahren nicht mehr zurückgefordert werden können.
Nachteile der Vermögensübertragung zu Lebzeiten
- Sie verlieren Ihr Vermögen, selbst wenn Sie sich die Nutzung vorbehalten oder sich im Gegenzug Versorgungsleistungen zusichern lassen.
- Die Vermögensübertragung zu Lebzeiten verlangt von Ihren eine wirtschaftliche Prognose Ihrer künftigen Lebensumstände.
- Mit der Übertragung von Vermögenswerten verlieren Sie zwangsläufig an Einfluss, die Entwicklung von Lebensumständen Ihrer Familienmitglieder zu steuern.
Die Vermögensnachfolge sollte anhand nachfolgender Checkliste durch Sie vorbereitet werden:
- Warum wollen Sie sich bereits zu Lebzeiten von wirtschaftlich bedeutenden Vermögenswerten wie z.B. von einer Immobilie trennen?
- An wen wollen Sie den wirtschaftlich bedeutenden Vermögenswert / die Immobilie übertragen?
- Warum wollen Sie der in Aussicht genommenen Person den wirtschaftlich bedeutenden Vermögenswert / die Immobilie übertragen?
- Ist die Immobilie noch mit Grundschulden belastet? Sollen die Grundschulden vor der Übertragung gelöscht werden oder soll der Erwerber die Grundschulden übernehmen?
- Erfolgt die Übereignung unentgeltlich oder wollen Sie diese mit der Verpflichtung zu einer Gegenleistung verbinden?
- Wollen Sie den Erwerber verpflichten, dass er Ihnen als Gegenleistung für die Übereignung einen Ausgleichsbetrag zahlt? Wann soll dieser fällig werden?
- Wollen Sie den Erwerber zur Zahlung einer monatlichen Rente verpflichten?
- Wollen Sie den Erwerber verpflichten, dass er an bestimmte Familienangehörige (z.B. Ihren Ehegatten oder an bestimmte Kinder) eine Abfindung zu leisten hat?
- Wollen Sie, dass der Erwerber sich zu Pflegeleistungen verpflichtet?
- Wollen Sie den wirtschaftlich bedeutenden Vermögenswert / die Immobilie übertragen oder Teile davon weiterhin nutzen und sich z.B. ein Wohnrecht oder einen Nießbrauch vorbehalten?
- Wollen Sie sich ein Recht auf Rückübertragung des wirtschaftlich bedeutenden Vermögenswerts / der Immobilie unter bestimmten Umstanden vorbehalten?
- Soll die Übertragung des wirtschaftlich bedeutenden Vermögenswerts / der Immobilie auf den späteren Erbteil des Erwerbers angerechnet werden oder erfolgt die Zuwendung ohne jegliche Ausgleichspflicht und Verrechnung im Todesfall?
- Soll die Übertragung des wirtschaftlich bedeutenden Vermögenswerts / der Immobilie auf den späteren Pflichtteil angerechnet werden?
- Soll die Übertragung des wirtschaftlich bedeutenden Vermögenswerts / der Immobilie davon abhängig gemacht werden, dass der Erwerber auf sein Erb- und Pflichtteilsrecht verzichtet?
Bei Überlegungen, Vermögenswerte zu Lebzeiten zu übertragen, sollten Sie die Vor- und Nachteile beachten und diese sorgfältig gegeneinander abwägen. Maßgebend sind letztlich allein Ihre individuellen familiären und wirtschaftlichen Lebensumstände. Überdies sollten Sie, bevor Sie Regelungen treffen, den rechtlichen Rat eines hierfür spezialisierten Rechtsanwalts sowie den steuerlichen Rat eines Fachmanns einholen. Insbesondere sollten Sie wegen der komplexen steuerlichen Folgen auf jeden Fall Ihren Steuerberater vorab informieren.
RA Markus Mahrer, Kanzlei Gleixner, Kellner, Mahrer / Bogen und Dingolfing, www.kanzlei-bogen.com
Steuernews Print-Ausgabe Frühjahr 2015, Rechtsstand 03/2015