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Umwelt

Kampf um den Verbrenner

Vor dem Europäischen Gerichtshof gibt es die erste Klage aus der Wirtschaft gegen das Ende von Autos mit Verbrennungsmotor. Sie könnte die Klimapolitik der EU verändern – und wirft die grundlegende Frage auf, wann ein Fahrzeug als sauber gilt.

Die Verordnung mit der Nummer 2023/851 könnte zerstören, was Lorenz Kiene in den vergangenen Jahren aufgebaut hat. Kiene verkauft E-Fuels, er liefert Tankstellen die Kraftstoffe, die manche Menschen für eine saubere Alternative zu Benzin und Diesel halten, für den Sprit der Zukunft. Aber die Europäische Union, sagt Kiene, bedrohe sein Geschäft. Mehr noch. Brüssels neues Gesetz, behauptet der Unternehmer, gefährde sogar die ganze deutsche Wirtschaft.

Kiene, Chef der Lühmann-Gruppe aus Niedersachsen, zieht deshalb vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Er will Teile der Verordnung 2023/851 kippen. Das ist jene berüchtigte Regel, nach der eines Tages nur noch emissionsfreie Autos in der EU fahren sollen. Also Wagen, die keine Abgase ausstoßen. E-Fuels hätten es dann schwer, sie gelten zwar als umweltfreundlich, erzeugen auf der Straße aber Kohlendioxid. Kienes Klage – dem EuGH zufolge die erste aus der Wirtschaft gegen das Ende des Verbrennungsmotors – liegt WELT AM SONNTAG vor. Sie stellt zentrale Ideen der europäischen Klimapolitik infrage und wird von Umweltexperten heftig kritisiert.

„Es klingt schön, nur noch emissionsfreie Autos zuzulassen“, sagt Kiene. „Aber der Plan der EU ist von Ideologie getrieben, nicht von Fakten.“ Zudem bedrohe er den Wohlstand der Bundesrepublik. „Der Verbrennungsmotor machte Deutschland zum globalen Auto-Standort Nummer eins“, so Kiene. „Es wäre töricht, diese Technologie jetzt aufzugeben.“

Brüssel, Deutschland und der Verbrenner, das ist eine komplizierte Geschichte. Es geht um Stolz und Selbstverständnis einer Nation. Hat Kienes Klage Erfolg, könnte die Maschine, die Erfinder wie Carl Benz und Rudolf Diesel berühmt gemacht hat und bis heute ein Symbol deutscher Ingenieurskunst ist, überleben. Zudem müsste die EU neu definieren, wann ein Fahrzeug sauber ist und wann schmutzig. Anders gesagt: ob Elektroautos immer gut sind und Verbrenner immer böse.

E-Fuels, kurz für das englische Wort „Electrofuels“, enthalten kein Öl, sie werden aus Wasserstoff und Kohlendioxid hergestellt, unter Einsatz von Ökostrom. Die Produzenten saugen das CO2 aus der Luft – und zwar so viel, wie die Autos später wieder ausstoßen. Daher gelten E-Fuels als klimaneutral. In Deutschland setzt vor allem Porsche auf die Kraftstoffe. Doch ihre Zukunft ist ungewiss. Die EU hatte schon das Aus des Verbrenners beschlossen, es sollte ab 2035 gelten. Dann stoppte der deutsche Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) den Plan. Verbrenner, die lediglich E-Fuels tanken, forderte er, müssten auch nach 2035 zugelassen werden dürfen. Die Kommission weigerte sich zuerst, gab dann aber nach. Das klingt nach einem Triumph für Deutschland. Es gibt bloß einen Haken. Brüssel will zwar die Zulassung von E-Fuel-Verbrennern erlauben – aber nicht die Anrechnung der Kraftstoffe auf Flottengrenzwerte. Also auf die Emissionsziele, die Autokonzerne erfüllen müssen. Und genau das möchte Kiene ändern.

Aktuell dürfen die Wagen eines Herstellers durchschnittlich 95 Gramm Kohlendioxid je Kilometer ausstoßen. Ab 2035 sollen es null sein. Gemessen werden die Werte am Auspuff, die Beamten der Kommission sprechen auf Englisch von „Tailpipe Emissions“. Hier liegt für E-Fuel-Produzenten das Problem: Da ihre Kraftstoffe nur in der Gesamtrechnung klimaneutral sind, aber am Auspuff Abgase erzeugen, betrachtet Brüssel sie als schmutzig – und als irrelevant für die Flottengrenzwerte.

Die Branche glaubt deshalb, dass kein Autohersteller E-Fuel-Verbrenner bauen wird. Auch dann nicht, wenn Brüssel die Zulassung erlaubt, wie es Minister Wissing fordert. Denn solche Modelle könnten Pkw-Konzernen die Klimabilanz verhageln. BMW, Volkswagen und andere würden also, fürchten die Sprit-Lieferanten, allein auf Elektroautos setzen. Die gelten laut Verordnung 2023/851 als emissionsfrei und sind somit besser für die Flottengrenzwerte.

Kiene findet die Logik der EU absurd. „Es ergibt keinen Sinn, Emissionen nur am Auspuff zu messen“, meint er. „Man sollte den CO2-Ausstoß über den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs hinweg erfassen.“ Bei Elektroautos müsse zum Beispiel auch die Herkunft des Stroms berücksichtigt werden. „Der stammt in Deutschland ja oft aus Kohlekraftwerken“, sagt Kiene. „Und dann wird in fernen Teilen der Erde auch noch die Natur zerstört, um das Lithium für die Batterien abzubauen.“ Kiene kämpft für ein Ende der Abgasmessung am Auspuff. Gewinnt er vor dem EuGH, könnte Brüssel gezwungen werden, alle Emissionen eines Pkws zu erfassen, vom Bau bis zur Verschrottung. Elektroautos gelten dann vielleicht nicht mehr automatisch als klimafreundlich.

Wissenschaftler halten nichts von Kienes Vorhaben, finden es sogar gefährlich. „E-Fuels, die vollständig mit Ökostrom produziert werden“, sagt Falko Ueckerdt vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung zu WELT AM SONNTAG, „können zwar genauso niedrige Emissionen haben wie Elektroautos.“ Doch der Knackpunkt sei ein anderer. „Das Narrativ von E-Fuels im Straßenverkehr droht dem Klimaschutz zu schaden“, meint Ueckerdt. „Denn es ist unrealistisch und verzögert die notwendige Transformation hin zu Elektroautos.“ Die Kraftstoffe würden anderswo gebraucht, etwa für Flugzeuge und Schiffe, die man kaum mit Strom betreiben könne. Es gebe nicht genug E-Fuels, um auch Autos zu betanken.

Ueckerdts Team hat ausgerechnet, dass selbst bei einem rasanten Wachstum der Branche die E-Fuel-Produktion weltweit im Jahr 2035 nur für die Hälfte der deutschen Pkws reichen würde. „Daher ist der Tailpipe-Ansatz sinnvoll“, sagt Ueckerdt. Der Umweltexperte spricht sich also dafür aus, Emissionen weiterhin am Auspuff zu messen.

Wie geht es weiter? Die EU will eine neue Pkw-Klasse einführen, für Verbrenner, die mit völlig klimaneutralen E-Fuels fahren. Die Autos müssten so gebaut sein, dass sie nicht anspringen, wenn andere Kraftstoffe im Tank sind. So steht es in einem unveröffentlichten Entwurf der Kommission, der WELT AM SONNTAG vorliegt. Das Überleben der E-Fuels dürfte das noch nicht sichern – dafür müsste Lorenz Kiene auch seine Klage gewinnen.

Quelle

Welt am Sonntag

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